„Neugier wecken ist das Wichtigste“

Die Förderung junger Menschen für Technik und Informatik zieht sich wie ein roter Faden durch die Arbeit von Maggie Winter. Seit 1998 ist sie Projektleiterin bei IngCH und hat zahlreiche Formate mitgestaltet: von Technik- und Informatikwochen über Meitli-Technik-Tage bis hin zur Wanderausstellung «Achtung Technik Los!». Im Gespräch blickt sie zurück, ordnet Entwicklungen im MINT-Bereich ein und erzählt, was sie bis heute antreibt.

Maggie, du hast viele IngCH-Projekte geprägt. Gibt es Erlebnisse, die dir besonders in Erinnerung geblieben sind?

Davon gibt es sehr viele. Die Technik- und Informatikwochen waren für mich immer auch persönlich eine bereichernde Erfahrung, sei es durch Einblicke in Unternehmen, Besuche an Hochschulen wie der ETH Zürich oder spannende Referate. Ein prägendes Erlebnis hatte ich an einem Meitli-Technik-Tag: Eine Ingenieurin aus Schweden wunderte sich, dass es in der Schweiz extra Programme für Mädchen gibt. In Schweden war es selbstverständlich, dass Frauen in technischen Berufen arbeiten. Bei uns war das damals noch eine Seltenheit.

Welche Bedeutung hat es für dich, Mädchen und junge Frauen für Technik und Informatik zu gewinnen?

Eine sehr grosse. Frauen sind in technischen und informatischen Berufen nach wie vor deutlich untervertreten, oft auch wegen mangelndem Selbstvertrauen. Viele Mädchen zweifeln an ihren Fähigkeiten, während sich gleichaltrige Jungen plakativ gesagt schon als angehende Informatiker sehen, nur weil sie gerne gamen. Besonders auffällig ist, wie viel aktiver sich Mädchen in geschlechtergetrennten Gruppen einbringen. Sie trauen sich mehr zu, stellen Fragen und probieren aus. Genau solche Räume braucht es, um technisches Interesse wachsen zu lassen.
Gleichzeitig verändert sich die Berufswahl insgesamt. Vor 15 Jahren gab es zum Beispiel kaum männliche Kleinkindererzieher, heute ist das anders. Es geht also in beide Richtungen, aber die gesellschaftlichen Erwartungen sind immer noch stark spürbar. Wenn alle Freundinnen denselben Weg einschlagen, fällt es schwer, einen anderen zu wählen. An einem Meitli-Technik-Tag sagen oft 90 Prozent der Teilnehmerinnen: «Das war so toll.» Doch ein paar Jahre später finden wir kaum eine von ihnen in technischen Berufen wieder. Der gesellschaftliche Druck ist hier ein entscheidender Faktor.

Wie hat sich die MINT-Nachwuchsförderung verändert?

Am stärksten hat sich meiner Meinung nach das «i» von MINT entwickelt. Um die Jahrtausendwende gab es noch wenige Informatikberufe, heute ist die Palette viel breiter. Informatik ist längst kein Nischen- oder Nerd-Thema mehr, sondern durch KI und Digitalisierung zentral. Gleichzeitig verlieren klassische Bereiche wie Elektrotechnik an Profil. Das ist eine Herausforderung.

Was braucht es, um Jugendliche nachhaltig für MINT-Berufe zu begeistern?

Viele technische Berufe gelten als schwierig, abstrakt oder Maschinen lastig. Dabei sind sie enorm kreativ und bieten vielfältige Zukunftsperspektiven. Ingenieurinnen und Ingenieure arbeiten mit Menschen, entwickeln Lösungen für konkrete Probleme, das wird oft übersehen. Wichtig ist, Neugier zu wecken: Wie funktioniert etwas? Warum ist es so? Wer solche Fragen stellt, bringt die besten Voraussetzungen mit.

Du leitest das Projekt «Achtung Technik Los!». Was macht dieses Projekt besonders wertvoll?

«Achtung Technik Los!», kurz «ATL», richtet sich direkt an Schülerinnen und Schüler in der Berufswahlphase. Meistens ist das in der 7. oder 8. Klasse. Wir gehen in die Schulen, alle Jugendlichen machen mit, nicht nur jene, die freiwillig an einen Tag der offenen Tür gehen würden. Sie erleben während einem halben Tag Workshops, interaktive Demos und sprechen mit Fachleuten über Berufsinformationen und können sich so aktiv am Programm beteiligen. Dieses “selber machen” ist entscheidend.

Magic Cube Workshop
Magic Cube: Schüler programmieren im Elektrotechnik-Workshop «Magic Cube»

Wie reagieren Lehrpersonen, Schüler:innen und Partner auf ATL?

Sehr positiv. Lehrpersonen schätzen die Mischung aus Praxis und Information und da das Angebot in der 2. Oberstufe stattfindet, ist es eine willkommene Ergänzung in der Berufswahlphase. Den Jugendlichen gefällt es besonders, wenn sie selbst etwas ausprobieren können. Für Unternehmen wiederum ist ATL eine wertvolle Möglichkeit, ihre Ausbildungsberufe sichtbar zu machen und junge Talente frühzeitig anzusprechen.

ABB Robotics
ABB Robotics: Schüler steuern den ABB Roboter

Wenn du nach vorne blickst: Was wünschst du dir für die MINT-Förderung in der Schweiz?

Wir brauchen Projekte auf allen Schulstufen und eine bessere Vernetzung. Heute läuft vieles doppelt, Ressourcen werden verzettelt. Bund, Politik, Schulen und Unternehmen sollten stärker zusammenarbeiten. Denn das Potenzial ist da: Wenn Mädchen und Jungen die Möglichkeiten sehen, nutzen sie sie auch.

Interview: Nathalie Gugger, Projekleiterin IngCH

Privacy Preference Center