«Luftqualität ist oft nicht spürbar»

Im Frühjahr 2025 hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) gemeinsam mit LerNetz das Schulangebot «Luftstrom» lanciert. Es sensibilisiert Schülerinnen und Schüler des Zyklus 3 für die Luftqualität in Innenräumen – ein Aspekt, der im Alltag oft vergessen geht. Roger Waeber vom BAG erklärt im Interview, warum das Thema so wichtig ist und wie das neue Lernangebot entstanden ist.

Interview: Nathalie Gugger
Bildquellen: LerNetz

Herr Waeber, können Sie mir erklären, was Ihre Funktion beim BAG ist und wie das neue Lernangebot «Luftstrom» zustande kam?
Ich arbeite seit 25 Jahren beim Bundesamt für Gesundheit in der Abteilung Chemikalien mit Schwerpunkt auf Schadstoffe in der Innenraumluft. Seit 2005 haben wir eine eigene Fachstelle dafür. Im Chemikaliengesetz von 2000 gibt es einen Artikel, der dem Bund den Auftrag gibt, die Bevölkerung zur Qualität der Innenraumluft zu informieren – mit Empfehlungen zur Gesundheitsprävention. Schimmel ist zum Beispiel ein klassisches Thema. Unsere Aufgabe ist es, Risiken zu bewerten: Welche Schadstoffe wirken sich wie auf die Gesundheit aus? Und wie lassen sich diese Risiken minimieren?

Da viele Themen an Schnittstellen zu Umwelt, Bau oder Gesundheit liegen, arbeiten wir eng mit dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) zusammen. Während der Bund für Aussenluftqualität zuständig ist, liegt die Verantwortung für Gebäude und die Bedingungen in Gebäuden bei den Kantonen. Wenn es sich nicht um Arbeitsplätze handelt, kann der Bund hier keine Vorschriften machen, sondern nur Empfehlungen abgeben. Das Thema Innenraumluft ist komplex, weil viele verschiedene Quellen beteiligt sind – von aussen und innen. Deshalb setzen wir auf Prävention: Wie kann man möglichst gute Luftqualität im Raum sicherstellen?

Das Lernangebot «Luftlabor» gibt es seit rund zehn Jahren. Es wurde vom BAFU zusammen mit LerNetz, verschiedenen Partnern und Trägerorganisationen entwickelt und thematisiert auf anschauliche Weise Schadstoffquellen in der Aussenluft und deren gesundheitliche Folgen. Weil wir beim BAG den Informationsauftrag für die Innenluft haben, wollten wir dieses Angebot ergänzen und auf den Innenraum erweitern. Die Idee dazu bestand schon länger. Bei unserer Kampagne «Frische Luft für wache Köpfe», welche eine gute Luftqualität in Schulzimmern propagiert, sahen wir das Potenzial, über die Schüler:innen auch Eltern und Haushalte zu erreichen. Wenn Kinder und Jugendliche verstehen, dass sie mit Lüften ihr Wohlbefinden verbessern, tragen sie dieses Wissen nach Hause. Lüften ist aber nicht alles – gerade in Wohnungen geht es vor allem auch darum, Raumluftbelastungen an ihren Quellen zu bekämpfen. Wir haben uns mit LerNetz zusammengetan, um dazu ein möglichst gutes Lernangebot zu entwickeln. Daraus ist das eigenständige Angebot «Luftstrom» entstanden. Ob es gut ankommt, wird sich jetzt zeigen. Aber wir haben das Beste gegeben.

Was genau bietet das neue Lernangebot?
«Luftstrom» richtet sich an Schülerinnen und Schüler des dritten Zyklus. Es funktioniert ähnlich wie das «Luftlabor»: Jugendliche untersuchen alltägliche Situationen in Schulzimmern oder Wohnräumen, reflektieren über Luftqualität und lernen, wie sie diese mit ihrem Verhalten beeinflussen können.

Wie gelingt es, das Interesse von Jugendlichen für ein eher unsichtbares Thema wie Innenraumluft zu wecken?
Das ist tatsächlich eine Herausforderung. Wer ein Problem spürt, will eine Lösung. Aber Luftqualität ist oft nicht spürbar – ausser es stinkt. Deshalb fehlt im Alltag häufig das Bewusstsein. Mit «Luftstrom» setzen wir auf drei Dinge: Erstens wollen wir mit überraschenden Fakten aus dem Alltag Neugier wecken – etwa, dass Kochen die Raumluft ähnlich stark belasten kann wie der Verkehr in Neu-Delhi. Zweitens soll das Thema praktisch und anschaulich vermittelt werden, nicht trocken oder belehrend. Und drittens setzen wir auf eine positive Botschaft: Man kann selbst etwas tun – und das lohnt sich, zum Beispiel für besseres Lernen und bessere Gesundheit.

In welchen Fächern ist das Angebot angesiedelt?
Primär in den Naturwissenschaften – dort, wo auch Umweltthemen behandelt werden. Es ergänzt das «Luftlabor» ideal. Aber es gibt auch andere Zugänge, etwa über das Thema Gesundheit. So ist die Luft in Klassenzimmern oft schlecht, weil es für viele Schüler auch viel frische Luft braucht. Und wenn man keine Lüftungsanlage hat, ist das richtige Fensterlüften eine Daueraufgabe. Wenn Schulen das thematisieren und unsere Empfehlungen dazu umsetzen, bietet sich «Luftstrom» als ideale Erweiterung an.

Luftstrom Bildung

Warum haben Sie bei «Luftstrom» das Kochen als zentrales Thema gewählt?
Weil es jeden betrifft und die Risiken unterschätzt werden. Beim Kochen entstehen viele Schadstoffe – Feinstaub, ultrafeine Partikel, sogar giftige Gase. Das Luftpaket über dem Herd ist oft stärker belastet als Stadtluft in Megametropolen. Mit einfachen Experimenten lässt sich das sichtbar machen, etwa mit Partikelzählern. Das ist eindrücklich – und macht klar: Auch bei uns gibt es Luftprobleme, nicht nur in Entwicklungsländern, wo oft noch mit offenem Feuer gekocht wird, was gravierende gesundheitliche Folgen hat.

Auch die Garage ist Teil des Lernangebots. Warum?
Wir wollten pro Raum ein oder zwei Themen aufgreifen, die relevant und konkret sind. In der Garage können wir Abgase von Kleinfahrzeugen wie dem Töffli ansprechen. Gerade Kohlenmonoxid kann gefährlich werden. Die Garage kann aber auch als Bastelraum dienen, wo heikle Chemikalien im Haushalt wie etwa in Spraydosen verwendet werden.

Was braucht es Ihrer Meinung nach, um mehr Jugendliche für MINT-Berufe zu begeistern?
Das Thema Luftqualität liegt an der Schnittstelle zur Gebäudetechnik – Lüftung, Klima, Energieeffizienz. Unsere Gebäude müssen klimafreundlicher werden. Gute Technik ist entscheidend, um genau solche Herausforderungen zu meistern. Deshalb ist die Verbindung von Umwelt und Technik heute wichtiger denn je. Ich glaube, Forschergeist ist der stärkste Antrieb. Kinder sind von Natur aus neugierig. Wenn man das bewahrt und fördert, entstehen aus dieser Neugier vielleicht die Ingenieur:innen und Problemlöser:innen von morgen. Es braucht Eigenmotivation, Mut und neue Denkansätze – nicht Leute, die nur auf Anweisungen warten. Genau diesen Geist wollen wir mit unserem Angebot wecken.

 

Mehr über Luftstrom
Entdecken Sie hier das Lernangebot «Luftstrom».

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