Warum investiert Swisscom in die strategische Personalplanung?

Die vernetzte Welt ist heute Realität, daraus entstehen immer schneller neue Geschäftsmöglichkeiten, die zu neuen Konkurrenzsituationen und umkämpften Märkten führen. Als grösstes Telekommunikationsunternehmen der Schweiz agiert Swisscom in diesem Umfeld und ist gleichermassen Treiberin und Getriebene der Digitalisierung. Produkte bestehen zu immer grösseren Teilen aus Software. So werden längerfristig ganz viele Unternehmen de facto zu Software-Unternehmen, die alle die gleichen Fachkräfte suchen. Hinzu kommt die demografische Entwicklung, die sich durch bevorstehende Pensionierungswellen (die Babyboomer gehen in Pension!) manifestiert und die durch junge Arbeitskräfte derzeit noch nicht kompensiert werden kann. Es zeichnet sich in naher Zukunft ein Fachkräftemangel ab, dem viele Unternehmen noch nicht genügend Beachtung schenken.


Andri Rüesch, Co-Chapter-Head Future Workforce Management bei Swisscom


Um sich heute aber bereits für morgen ausrichten zu können, muss ein Unternehmen seinen Personalkörper vorausschauend entwickeln und planen. Es braucht eine Einschätzung, zu welchem Zeitpunkt welche Fachkräfte fehlen werden, und eine Strategie, wie diese Lücken geschlossen werden können. Hierfür bietet sich eine strategische Personalplanung an, die bei Swisscom heute in Teilbereichen zwar schon gut etabliert, jedoch noch nicht im ganzen Unternehmen eingeführt ist. Um das volle Potenzial dieses steuernden Instruments entfalten zu können, braucht es aber, gerade bei einem grossen Konzern wie Swisscom, einen unternehmensweiten Fokus. Einer-seits, um sicherzustellen, dass man in der Zukunft über das passende Personal und die erforderlichen Skills verfügt, und andererseits, um zu unterbinden, dass knappe Mittel am falschen Ort investiert werden. Nur so kann verhindert werden, dass aus kurzfristigen Überlegungen Jobs in einem Bereich des Unternehmens aufgelöst werden, welche kurz darauf in anderen Bereichen wiederaufgebaut werden müssen. In beiden Fällen entstehen unnötige Kosten und insbesondere auch Enttäuschungen bei Mitarbeitenden.

Das von Swisscom entwickelte Modell Strategic Workforce Management (SWM) zeigt den Forecast der Workforce-Entwicklung über die nächsten drei Jahre auf. Natürlich muss mit Annahmen und auch mit Vereinfachungen gearbeitet werden, in der Tendenz liefert das Modell aber Ergebnisse, die dem agilen «Safe-enough-to-try»-Ansatz genügen. 

Das Modell ist aus folgenden Bestandteilen aufgebaut: Die Ausgangsbasis bildet der aktuelle Mitarbeiterbestand – in geeigneter Art und Weise verdichtet dargestellt, sodass keine Rückschlüsse auf einzelne Personen gezogen werden können. In einem ersten Schritt werden die anstehenden Pensionierungen und die durchschnittliche natürliche Fluktua-tion herausgerechnet. Als Ergebnis liegt der Netto-Personalbestand vor, unter der Annahme, dass keine Stelle nachbesetzt wird. Bei Swisscom zeigt dieses Bild, dass wir über die nächsten acht Jahre nahezu die Hälfte der Belegschaft verlieren werden.

«Im Sinn einer partnerschaftlichen Entwicklung ist es zudem wünschenswert, dass die Erkenntnisse des Strategic Workforce Management auch mit den Mitarbeitenden geteilt werden.»

Im nächsten Schritt kommen die Veränderungstreiber (change drivers) ins Spiel, die aus dem Markt und dem Umfeld auf den Personalkörper der Swisscom einwirken. Zum Beispiel die Auswirkungen der Digitalisierung und der Automatisierung auf die Arbeitswelt. In Form einer qualifizierten Schätzung des Business und der Strategieabteilung (educated guess) legen wir für jede Job-Familie fest, ob wir damit rechnen, dass wir in den nächsten drei Jahren mehr oder weniger Jobs in diesem Bereich brauchen (demand change), und ob das Risiko besteht, dass unsere Mitarbeitenden in drei Jahren nicht mehr über die notwendigen Skills verfügen, um den veränderten Herausforderungen der nahen Zukunft gewachsen zu sein (supply change, skill shift). Alle diese Annahmen modellieren wir, stark vereinfacht, unter Anwendung eines «T-Shirt Sizing» (XS – S – M – L – XL) mit hinterlegten Faktoren.

Als Resultate liegen ein prognostizierter Supply (Wie viele Mitarbeitende stehen uns zur Verfügung?) und ein prognostizierter Demand (Wie viele Mitarbeitende brauchen wir?) vor. Die Differenz dieser zwei Grössen zeigt uns den Gap auf und bildet eine sogenannte Heatmap der Job -Profile. Wir sehen also, in welchen Jobs wir mit Unterkapazitäten (vgl. Grafik gelbe Profile) und in welchen Jobs wir mit Überkapazitäten rechnen müssen (graue Profile). Dabei gilt es zu beachten, dass beide Arten von Gaps problematisch und mit geeigneten Massnahmen gezielt anzugehen sind.


SWM-Modell, Gap (Demand – Supply)
Quelle: Swisscom

Dazu steht uns die ganze Palette an HR-Instrumenten zur Verfügung: Aus- und Weiterbildung, Talentförderung, Rekrutierung beziehungsweise Sourcing, Personalentwicklung usw. werden gezielt dafür eingesetzt, die Lücken in den gelben Profilen zu schliessen und das Überangebot an grauen Profilen aufzulösen. Darüber hinaus kann diese Einschätzung auch für die smarte Realisation von Kostenzielen genutzt werden: Natürliche Abgänge (Pensionierungen und Fluktuation) werden durch ein stringentes Vakanzen-management dergestalt genutzt, dass nur noch Stellen nachrekrutiert werden, in denen das Modell eine Unterkapazität vorhersagt.

Im Sinn einer partnerschaftlichen Entwicklung ist es zudem wünschenswert, dass die Erkenntnisse des Strategic Workforce Management auch mit den Mitarbeitenden geteilt werden. So erhalten sie frühzeitig eine Einschätzung über die mögliche Entwicklung ihrer Funktion und können sich eigenverantwortlich mit ihrer Arbeitsmarktfähigkeit auseinandersetzen. Dazu stehen jedem Mitarbeitenden fünf Arbeitstage für Aus- und Weiterbildung zu, dies hat Swisscom neu sogar im GAV verankert. Natürlich können in Absprache mit der Führungskraft auch mehr als fünf Entwicklungstage bezogen werden.

Es bleibt die Frage offen, wie genau die Einschätzung unseres SWM-Modells ist. Natürlich kennt niemand die genaue Entwicklung der nächsten drei Jahre, aber es lohnt sich ganz klar, unter Einbezug möglichst vieler zur Verfügung stehender Quellen eine informierte Prognose zu wagen, sie laufend zu validieren und gegebenenfalls anzupassen. Nur so können Mittel und Energie heute zielgerichtet für unsere Arbeitswelt von morgen eingesetzt werden.

Die Begriffe Strategic Workforce Management (SWM) und strategische Personalplanung werden als Synonyme verwendet.

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