Informatik als Motor für Fortschritt

Digitale Technologien durchdringen alle Lebensbereiche – doch Informatik ist mehr als nur der Umgang mit Computern und digitalen Geräten. Sinja Christiani, Geschäftsführerin der Hasler Stiftung und Vorstandsmitglied bei IngCH, spricht über die gesellschaftliche Bedeutung von Informatik, ihren Werdegang und die gesellschaftlichen Herausforderungen, die mit der digitalen Transformation verbunden sind.

Sie haben Informatik studiert. Was hat Sie dazu bewogen?

Mein Vater war Ingenieur und in der IT-Branche tätig, so hatten wir schon früh Computer zu Hause. Ich war etwa zehn Jahre alt, als ich meinen ersten Computer nutzen durfte. Damals war das noch nicht üblich. Ich erinnere mich gut an meinen ersten Besuch in einem Internetcafé in Zürich – mein Vater zeigte mir das Internet, das damals noch eine völlig abstrakte Welt war. Mich hat das sofort fasziniert. In den Teenagerjahren hatte ich bereits einen eigenen Computer in meinem Zimmer, und für mich war damals schon klar: Ich will Informatikerin werden. Ich entschied mich für Wirtschaftsinformatik an der Universität Zürich, weil mich vor allem interessierte, wie man mit Informatik die Welt verändern kann.

Diese Entscheidung würden Sie also wieder treffen?
Ja, definitiv. Schon während der Matura habe ich Websites programmiert und damit Geld verdient. Die Begeisterung war also schon da, und das Studium hat genau zu meinen Interessen gepasst.

Sie entdeckten also schon früh Ihre Leidenschaft für Informatik. Wie ging Ihr Werdegang weiter?
Während des Studiums habe ich als Werkstudentin bei IBM gearbeitet und bin danach in die Beratung gewechselt. Später war ich bei Deloitte im Bereich Data Analytics tätig – meine Masterarbeit hatte bereits Data Mining zum Thema. Danach folgten Stationen bei der Zürich Versicherung, bis ich schliesslich zur Hasler Stiftung kam. Hier schliesst sich der Kreis für mich: Ich habe mich schon immer dafür interessiert, wie Technologie unser Leben verändert. In der Wirtschaft habe ich internationale Projekte durchgeführt, globale Plattformen mit aufgebaut und neue Arbeitsformen eingeführt – das alles war spannend, und doch fehlte etwas. Der Wechsel zur Hasler Stiftung ermöglichte es mir nun, meine Begeisterung für Informatik mit der Unterstützung zukunftsweisender, gesellschaftsrelevanter Projekte zu verbinden.

Können Sie Ihre Motivation für Ihre Arbeit bei der Hasler Stiftung noch weiter ausführen?
Mich fasziniert der Einfluss der Informatik auf unsere Gesellschaft. Nicht die Technik als Selbstzweck, sondern als Motor für Fortschritt. In meiner Arbeit bei der Hasler Stiftung sehe ich täglich spannende Projekte, die sich genau damit beschäftigen. Bei der Hasler Stiftung fördern wir sowohl Forschungs- als auch Bildungsprojekte im Bereich der ICT. Unsere Herausforderung ist es, jene Projekte zu identifizieren, die den grössten Impact haben. Meine Rolle ist vielseitig: viel Netzwerkarbeit, Gespräche mit Expert:innen und das Finden von Initiativen, die etwas bewegen. Gleichzeitig beinhaltet meine Arbeit auch ganz pragmatische Aufgaben wie das Beurteilen von Projektanträgen. Kürzlich haben wir ein Förderprogramm zu «Digitalisierung und Demokratie» lanciert – mit über 130 eingereichten Ideen. Das alles zu prüfen, ist eine anspruchsvolle, aber auch unglaublich spannende Aufgabe.

Sie haben erwähnt, dass es sehr viele Projekte und Initiativen im Bereich Informatik gibt, bei denen Anträge für Fördergelder gestellt werden. Welche Herausforderungen bringt das mit sich?
Einerseits ist die Unterscheidung zwischen reiner Informatikanwendung und echter Innovation massgeblich. Andererseits die gesellschaftliche Dimension: Wie nehmen wir die Gesellschaft mit in diesen Wandel? Zudem müssen wir sicherstellen, dass die Projekte, die wir fördern, nicht nur kurzfristige Effekte haben, sondern auch nachhaltig wirken. Gerade im Bereich der Bildungsförderung gibt es viele tolle Initiativen, aber wenn diese nur durch Fördergelder am Leben erhalten werden, ist dies auf lange Frist problematisch. Deshalb liegt der Fokus darauf, Projekte auszuwählen, die einen dauerhaften Einfluss auf die Gesellschaft und das Bildungssystem haben. Diese Entscheidung ist eine Herausforderung, weil man zu vielen guten Projekten Nein sagen muss. Eine andere aktuelle Herausforderung ist, dass wir eine «Anti-Bildschirm-Haltung» an Schulen beobachten, was Informatik manchmal in eine unglückliche Ecke drängt. Informatikkompetenz ist nicht gleich Mediennutzung, und es ist auch mehr als das Erlernen einer Programmiersprache – es geht darum, zu verstehen, wie digitale Systeme funktionieren. In einer derart digitalisierten Welt erachte ich diese Kompetenz genauso wichtig wie zum Beispiel Mathematik. Das lernen wir ja auch, obwohl wir heute alle jederzeit einen Taschenrechner zur Verfügung haben.

Gibt es einen aktuellen Trend, der Sie besonders beschäftigt?
Ja, und zwar, wie die Digitalisierung unsere Demokratie verändert. Wir haben dazu, wie bereits erwähnt, ein Programm «Digitalisierung und Demokratie» im Januar lanciert. Die Digitalisierung beeinflusst demokratische Prozesse massiv – sowohl positiv als auch negativ. Wie können wir sie nutzen, um mehr Menschen einzubinden, und gleichzeitig Risiken wie Desinformation minimieren? Das beschäftigt mich sehr, gerade wenn man sieht, wie stark die Gesellschaft von Technologie und somit auch den grossen Tech-Konzernen abhängig geworden ist – gewisse Konzerne sind heute mächtiger als die demokratisch gewählten Institutionen. Digitale Bildung spielt hier eine zentrale Rolle: Die Menschen müssen beispielsweise verstehen, wie Datenökonomie funktioniert. Wie kann beispielsweise ein Onlineprodukt kostenlos sein? In vielen Fällen bezahlen wir es mit der Angabe unserer Daten. Auch das Thema Sicherheit im digitalen Raum ist extrem wichtig und beschäftigt mich.

Sie sind auch im Vorstand von IngCH und befassen sich mit MINT-Nachwuchsförderung. Wie können wir Jugendliche für MINT begeistern?
Indem wir zeigen, dass MINT-Berufe keine Selbstzwecke sind, sondern dass sie die Welt verändern. Ob im Kampf gegen den Klimawandel oder bei der Entwicklung neuer medizinischer Lösungen – MINT-Disziplinen stecken in all diesen Fortschritten. Gerade in der Informatik: zu wissen, dass man mit Informatik neue Krebsmedikamente entwickeln kann. Das motiviert junge Menschen. Dazu kommen Vorbilder: «You can’t be what you can’t see.» Jugendliche brauchen Identifikationsfiguren. Es gibt viele inspirierende MINT-Persönlichkeiten, die wir sichtbarer machen müssen. Und schliesslich: Zukunftsperspektiven aufzeigen. Informatik ist heute in jeder Branche relevant. Wer diese Skills hat, kann in nahezu jedem Kontext arbeiten.

Haben Sie einen Tipp für die Berufswahl?
Den Begriff Berufswahl finde ich schwierig. Berufe ändern sich rasant. Viel wichtiger sind die Fragen: Welche Fähigkeiten möchte ich entwickeln? Worin bin ich gut? Bin ich gerne draussen? Arbeite ich lieber mit Menschen, oder analysiere ich gerne Daten? Und dann sich überlegen: Welche Ausbildung verstärkt diese Fähigkeiten, damit man diese nachher – in welchem Beruf auch immer – anwenden kann? Danach sollte man seine Ausbildung wählen.

Welche Skills sind für die digitale Zukunft essenziell?
Neben digitalen Grundkenntnissen sind Anpassungsfähigkeit und Lernbereitschaft essenziell. Neugier, kritisches Denken und die Fähigkeit, Informationen zu hinterfragen, werden immer wichtiger, gerade auch im Zeitalter von künstlicher Intelligenz und sich immer schneller entwickelnden Technologien. Und gerade die menschlichen Qualitäten Empathie und Teamfähigkeit sind nicht automatisierbar und werden deshalb in Zukunft besonders gefragt sein.

Haben Sie eine abschliessende Message?
Die Digitalisierung ist wie eine Welle: Man kann sich ihr entgegenstellen oder lernen, sie zu reiten. Wer sie reitet, kann nicht nur mithalten, sondern die Richtung mitbestimmen – und vielleicht macht es dabei sogar noch Spass!

 

Interview: Nathalie Künzli, Projekleiterin IngCH

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