«Die Welt wird nie stillstehen, und deshalb wird es immer Ingenieur:innen brauchen»
Daniel Andris ist Head of Corporate Solutions Risk Engineering Services Casualty bei Swiss Re und Vorstandsmitglied bei IngCH. Wie der studierte Chemiker aus der Forschung und Entwicklung in die Versicherungsbranche kam, weshalb sein Beruf weit entfernt von Routine ist und warum er Schüler:innen bei der Berufswahl rät, nicht nur auf den Trendradar zu schauen, erfahren Sie im Interview.
Daniel Andris, können Sie mir bitte zuerst erklären, was Sie in Ihrem Berufsalltag als Head of Corporate Solutions Risk Engineering Services Casualty grundsätzlich machen?
Mein Beruf ist der des Risikoingenieurs. Wir analysieren Unternehmen in Hinsicht auf deren Risiken aus dem Blickwinkel der Versicherung. Als Industrieversicherung decken wir die Risiken eines Unternehmens aus dessen betrieblicher Tätigkeit. Bei einem Unternehmen können unterschiedliche Sachen passieren: Elementarschäden, Feuerschäden bis hin zu Haftpflichtschäden, also Schäden gegenüber Dritten, zum Beispiel verursacht durch Unglücke in den betrieblichen Tätigkeiten oder durch Produkte. Das Ganze ist vielschichtig und mannigfaltig. Wir müssen verstehen, welche Risiken wir versichern und welche Schäden daraus entstehen könnten. Um dafür eine solide Basis zu haben, gibt es diese Disziplin Risk Engineering. Das ist eine Seite des Auftrags zugunsten meines Arbeitgebers. Dasselbe machen wir auch für Kund:innen. Die Kund:innen, die sich bei uns versichern, haben den Vorteil, von dem Wissen der erfahrenen Risikoingenieur:innen zu profitieren. So geben wir ihnen die Expertise zurück, sich selbst zu verbessern, am Risikomanagement zu arbeiten und auf diese Weise Schäden zu vermindern oder zu verhüten.
Und wie sind Sie dazu gekommen, dass Sie heute diesen Beruf ausüben? Ich habe gelesen, dass Sie ursprünglich Chemie studiert haben?
Ich machte die Lehre zum Chemielaboranten und studierte anschliessend an der Fachhochschule Winterthur Chemie. Danach arbeitete ich in der Forschung und Entwicklung. Ich kam dann eher per Zufall auf meinen heutigen Beruf. Ich fragte mich, was mein nächster Entwicklungsschritt sein könnte, und schaute mich etwas um. Ehemalige Arbeitskolleg:innen, die bereits im Bereich Risk Engineering tätig waren, machten mich auf eine offene Stelle aufmerksam. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch kein Bild von Versicherungen. Ich schaute mir den Bereich dann genauer an, denn ich war schon immer an Risiko und Risikomanagement interessiert. Von daher sprach mich die Stelle auch sehr an, weshalb ich einstieg und bis heute dabei bin.
Wie lange sind Sie denn jetzt schon bei Swiss Re?
Ich bin jetzt seit 20 Jahren dabei und hatte das Glück, immer ein gutes Umfeld zu haben. Ich fing als Risikoingenieur im Bereich Life Science und Chemie an und brachte meine Arbeitserfahrung sowie mein Hintergrundwissen ein. Ich hatte dann die Gelegenheit, mich weiterzuentwickeln und ein lokales Team sowie grössere Projekte zu führen. 2015 übernahm ich die Gesamtabteilung Haftpflichtrisiken innerhalb von Risk Engineering Services. Das ist ein global verteiltes Team, welches auf allen grossen Kontinenten präsent ist.
Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf?
Was mich enorm fasziniert, ist die grosse Vielseitigkeit und die Wichtigkeit der grossen Zusammenhänge – sämtliche Entwicklungen, die irgendwo stattfinden, sei es technologisch, gesellschaftlich oder geopolitisch, bestimmen die Tätigkeiten in unserem Alltag. Diese Veränderungen auf einer globalen Landkarte immer im Auge zu behalten, weil alle diese Entwicklungen Einfluss auf die Risiken der Unternehmen haben, begeistert mich. Von daher ist mein Bereich sicher auch einer, in dem keine Routine einkehrt. Das ist sicher auch ein Grund, weshalb viele Teammitglieder schon lange dabei sind. Unser Beruf wiederholt sich grundsätzlich nicht, weil sich das Umfeld konstant entwickelt, und das macht die Arbeit sehr spannend.
Das glaube ich. Kann es manchmal auch eine Herausforderung sein, wenn etwas eintrifft, womit man gar nicht gerechnet hat? Oder passiert das gar nicht?
Nein, absolut, das ist eigentlich Faszination und Herausforderung zugleich. Es ist ein Teil unserer Arbeit, Veränderungen zu erkennen. Der andere Teil ist aber auch, welchen Einfluss Veränderungen auf die Risiken haben: Hat zum Beispiel eine neue technologische Entwicklung einen risikomindernden Einfluss, weil mehr Sicherheitselemente entstehen? Oder hat sie einen risikoerhöhenden Einfluss, weil sie zum Beispiel komplexer ist, anspruchsvoller zu kontrollieren und dadurch auch mehr oder andere Risiken bringt? Das ist immer ein Abwägen. Die Herausforderung ist es, Evidenz für die Tendenz zu finden und aufzuzeigen.
Wenn Sie zurück in Ihre Jugendzeit gehen könnten, würden Sie sich nochmals für denselben Weg entscheiden?
Ich denke schon. Einer Sache auf den Grund zu gehen und zu verstehen, wie etwas funktioniert und aufgebaut ist, hat mich seit meiner Jugend immer fasziniert. Ich würde mich als vielseitig interessiert beschreiben. Ob das jetzt nochmals Chemie oder ein anderer naturwissenschaftlicher Bereich wäre, weiss ich nicht. Aber Chemie hat mich immer fasziniert, denn sie geht an die Basis, wie Materialien und warum sie zusammengesetzt sind und weshalb sie welche Eigenschaft besitzen.
Was denken Sie, welche Eigenschaften und Interessen eine Person haben sollte, die ein Ingenieurstudium oder ein naturwissenschaftliches Studium wie Chemie absolvieren möchte?
Ein intrinsisches Interesse an Dingen. Daran, wie etwas funktioniert, wie etwas aufgebaut ist. Der innere Antrieb, hinter die Fassade zu schauen und etwas auf den Grund gehen zu wollen. Ich denke, diese Interessen sollten da sein. Dann kommt es darauf an, welche Materie oder welche naturwissenschaftliche Richtung einen interessiert. Die Ingenieurdisziplinen haben aus meiner Sicht aber alle etwas gemeinsam: verstehen zu wollen, weshalb Sachen so sind, wie sie sind, und wie sie funktionieren.
Welchen Tipp würden Sie Schüler:innen für die Berufs- und Studienwahl mit auf den Weg geben?
Ich würde das tun, was einen interessiert, und mich nicht zu stark davon leiten lassen, was momentan en vogue ist oder was Prestige bringen könnte. Das Studium verlangt einem genug an Motivation ab. Es ist manchmal anstrengend und erfordert Ausdauer. Gerade deshalb sollte man dafür Interesse haben. Nach dem Abschluss stehen alle Türen offen. Das Ingenieurwesen und die Naturwissenschaften sind auf jeden Fall zukunftsträchtig. Wir sind mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Es braucht folglich entsprechend ausgebildete Leute, die in der Lage sind, diese Herausforderungen in die Hand zu nehmen und Lösungen dafür zu entwickeln und zu bauen. Die Welt wird nie stillstehen, und deshalb wird es auch immer Ingenieurinnen und Ingenieure brauchen.
Wieso engagiert sich Swiss Re bei IngCH für die Nachwuchsförderung?
Wir sind ein Unternehmen, welches den Anspruch hat, divers in allen Facetten zu sein. Gerade im Ingenieurwesen ist die Förderung von Frauen ein grosses Thema. Diversität geht aber darüber hinaus. Diversität sind auch Denkmuster: Was motiviert uns an der Arbeit, welchen Blick haben wir auf Themen, Geschäfte, Technologien und die Gesellschaft? Für uns ist diese Diversität auch wichtig. Wir möchten verschiedene Hintergründe und Sichtweisen, seien es betriebswirtschaftliche, arbeitspsychologische, gesellschaftliche oder auch technische. Darum haben bei uns Naturwissenschaftler:innen und Ingenieur:innen eine grosse Bedeutung und sind in verschiedenen Hierarchien vertreten. Es ist folglich auch eine intrinsische Motivation, sich verschiedenartig zu engagieren und eben auch für IngCH. Das Engagement bei IngCH besteht auch daraus, zu zeigen, wie vielseitig der Ingenieurberuf ist. In vielen Branchen werden immer mehr Ingenieur:innen benötigt.
Interview: Nathalie Künzli, Projektleiterin IngCH
Das könnte Sie auch interessieren
Engagiert, temperamentvoll, Ingenieurin!
16. mars 2018