Meitli-Technik-Tage: Ein Blick zurück und nach vorne

Seit 1999 bieten die Meitli-Technik-Tage Schülerinnen im Berufswahlalter die Möglichkeit, an einem oder zwei Tagen in einem Unternehmen technische Berufe hautnah kennenzulernen. Diese Schnuppertage sollen die Vielfalt der technischen Berufswelt aufzeigen und mehr junge Frauen für eine technische Ausbildung begeistern. Mit Erfolg? In diesem Beitrag möchte ich Sie mit auf eine Reise zu den Anfängen des Projekts nehmen und einen Ausblick in die Zukunft der Meitli-Technik-Tage geben.

Autorin: Nathalie Künzli, Projektleitung IngCH

Als ich zum IngCH-Team stiess und die Projektleitung der Meitli-Technik-Tage übernahm, befanden wir uns mitten in der Corona-Pandemie – ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, um Veranstaltungen zu organisieren, geschweige denn grosse Unternehmen davon zu überzeugen, rund 20 Schülerinnen aus unterschiedlichsten Schulhäusern für einen ganzen Tag im Betrieb aufzunehmen. Die damalige Situation war herausfordernd, zumal bereits im Vorjahr fast alle Schnuppertage ausgefallen waren und der Nachholbedarf in der Berufswahl enorm war. Leider mussten auch 2021 einige Tage verschoben oder abgesagt werden, wenige Tage fanden unter zusätzlichen Hygienemassnahmen wie Maskenpflicht und mit einer reduzierten Anzahl an Plätzen statt, sodass wir viele interessierte Mädchen enttäuschen mussten. Über die zahlreichen Absagen der Meitli-Technik-Tage waren alle Beteiligten unglücklich – am meisten jedoch die Schülerinnen!

Umso grösser war die Freude über die darauffolgende Rückkehr zur Normalität und den Projektaufschwung durch das steigende Interesse an den Meitli-Technik-Tagen – sowohl seitens der Unternehmen als auch von den Schulen und den Schülerinnen, was nach den Absagen und Verschiebungen alles andere als selbstverständlich war. Heute finden pro Jahr rund zwölf Schnuppertage bei zehn unterschiedlichen Firmen statt. In den letzten vier Jahren haben fast 600 Schülerinnen das Angebot genutzt. Doch dazu später mehr.

Ein Blick zurück

Wie es bei einer Projektübernahme üblich ist, verschaffte ich mir damals zunächst einen Überblick über die Meitli-Technik-Tage. Mein grosser Vorteil als «Neue» war, dass wir bei IngCH auf einige langjährige Teammitglieder zählen konnten und können, mit denen ich mich damals wie auch heute regelmässig austausche. Dieser Artikel hat mich veranlasst, mit Maggie Winter, der Projektleiterin bei IngCH, zusammenzusitzen und sie über die Anfänge der Meitli-Technik-Tage auszufragen.

Maggie Winter organisierte vor über 25 Jahren, im Jahr 1999, zusammen mit Andrea Leu den ersten Meitli-Technik-Tag bei der Firma Sulzer in Winterthur. Mit grosser Neugier folgte ich ihren Erzählungen: «Das war ein richtiges Happening! Es nahmen über 60 Mädchen teil, und sogar der damalige CEO Ulrich Roost hielt zu Beginn des Tages eine Rede. Vor Ort waren bestimmt über 100 Personen, und das Medienecho war gross.» Ich war erstaunt, denn meine eigene Berufswahlphase liegt weniger als 25 Jahre zurück, und dennoch war es damals noch recht ungewöhnlich, dass sich Mädchen für technische Berufe interessierten. «Das war auch eine Herausforderung», meint Maggie, «viele Schulen fragten, warum der Tag ausschliesslich für Mädchen sei und nicht auch für Jungen.» Zudem waren damals überwiegend Männer mit technischen Berufsausbildungen anwesend und leiteten durch den Schnuppertag. Gerade bei der Berufswahl ist ein «Role Model» – also eine Identifikationsfigur – entscheidend. Doch es habe schlichtweg kaum Frauen in technischen Berufen gegeben, betont Maggie Winter.

Auf die Frage, wie der Tag bei den damaligen Teilnehmerinnen angekommen sei, kann sich Maggie Winter noch gut erinnern: «80 bis 90 Prozent der Schülerinnen fanden den Tag grossartig und sagten am Ende, dass sie einen technischen Beruf erlernen möchten. Doch das Umfeld spielte damals wie auch heute bei der Berufswahl eine grosse Rolle. Aufgrund von Rückmeldungen aus der Familie oder von Freundinnen liessen sich viele Mädchen in ihrer Entscheidung, einen technischen Beruf zu erlernen, verunsichern und trauten es sich am Ende doch nicht zu. Das finde ich sehr schade! Ich habe auch den Eindruck, dass sich das bis heute nicht stark verändert hat.»

Meitli-Technik-Tage
Meitli-Technik-Tag bei Siemens 2012

Diese Aussage liess mich nicht mehr los, und ich wollte wissen, wie sich der Frauenanteil in technischen Berufen in den letzten Jahren verändert hat. Also begab ich mich auf die Suche nach Antworten in den Statistiken. Laut dem Bundesamt für Statistik betrug der Anteil der Frauen im ersten Ausbildungsjahr der beruflichen Grundbildung im Bildungsfeld «Ingenieurwesen und Technik» im Jahr 1999 gerade einmal 4,1 Prozent. In absoluten Zahlen entsprach das 510 Frauen. Die aktuellsten Zahlen, etwa 20 Jahre später, zeigen eine Steigerung. Im Jahr 2021 lag der Frauenanteil sowohl im Bereich Informatik als auch im technischen Bildungsfeld bei 7,3 Prozent, was effektiv 829 Frauen im technischen Bereich und 174 Frauen im IT-Bereich entspricht, die eine Lehre abgeschlossen haben.[1] Eine ähnliche Tendenz lässt sich auch in unserem Dashboard auf Hochschulstufe erkennen. Die Quote an Bachelorabschlüssen von Frauen in technischen Studiengängen beziehungsweise Ingenieurfachrichtungen an Schweizer Universitäten stieg zwischen 2009 und 2022 von 23 auf 27 Prozent. An Fachhochschulen ist der Anstieg an Bachelorabschlüssen in derselben Zeitspanne prozentual etwas grösser, nämlich von 13 auf 21 Prozent. Es ist also eine positive Entwicklung erkennbar, auch wenn sie nur langsam voranschreitet.

Entwicklung Frauenanteil
Entwicklung Frauenanteil in technischen Studienrichtungen an Fachhochschulen, Quelle IngCH Dashboard 2024

Lea Hasler, Geschäftsführerin von IngCH, schätzt diese Entwicklung wie folgt ein: «Bei IngCH möchten wir Schülerinnen und Schülern die vielfältigen Möglichkeiten im MINT-Bereich aufzeigen. Mit den Meitli-Technik-Tagen legen wir einen besonderen Fokus auf Mädchen, damit sie unter sich entdecken und erleben können, welche Berufe für sie spannend sein könnten. Ich bin überzeugt, dass sich unsere Arbeit lohnt, auch wenn die Veränderungen langsam und im Einklang mit der gesellschaftlichen Entwicklung verlaufen – da gibt es keinen Quick Fix. Zum Glück sind heute viele Firmen überzeugt, dass mehr Frauen in ihren technischen Betrieben viele Vorteile bringen, und setzen sich dafür ein. Bei einigen steht die männlich geprägte Kultur noch im Weg, aber wir sehen immer wieder, wie Unternehmen mit einem Frauenanteil von etwa 20 Prozent zunehmend mehr Frauen und Mädchen begeistern und für sich gewinnen können. Wir präsentieren im Projekt selbstverständlich spannende Frauen, die ihre Arbeit gerne machen, und damit inspirieren wir die nächste Generation.»

Ein Blick nach vorne

Was nehme ich aus diesen Gesprächen und meinen Erfahrungen mit den Meitli-Technik-Tagen für die Zukunft mit? Die Gesellschaft spielt eine wichtige Rolle bei der Förderung von Frauen in technischen Berufen. Deshalb halte ich Angebote wie die Meitli-Technik-Tage für wertvoll. Nicht nur, um die Berufswahl zu unterstützen, sondern auch, um zu sensibilisieren, zu informieren und Vorurteile abzubauen. Solche Schnuppertage bieten einmalige Einblicke hinter die Kulissen technischer Betriebe – eine Welt, die mich jedes Mal aufs Neue fasziniert. Die Vielfalt an beruflichen Möglichkeiten kennenzulernen und zu sehen, was zum Beispiel eine Polymechanikerin in ihrem Berufsalltag macht oder wie aus einem kleinen Kunststoffteil ein Lichtschalter gefertigt wird, eröffnet neue Horizonte. Gerade auch die Vielfältigkeit eines technischen Betriebs mitzuerleben, machen die Meitli-Technik-Tage zu einem Erlebnis, das sowohl die Berufswahl unterstützt als auch das Bild technischer Berufe generell verändert und prägt.

Im Schlussbericht über die Meitli-Technik-Tage von 2020 bis 2024 fasste die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) die Antworten der Teilnehmerinnen zusammen, die am Ende jedes Schnuppertags eine Umfrage ausfüllen.* Insgesamt haben 491 Mädchen den Fragebogen ausgefüllt, und rund 94 Prozent gaben an, technische Berufe (besser) kennengelernt zu haben. Die Antwort auf die Frage, ob ihnen der Meitli-Technik-Tag gefallen habe, erreicht denselben Wert. Diese Resultate lassen also darauf schliessen, dass fast alle 500 jungen Frauen, welche den Fragebogen ausfüllten, am Ende mit einem positiven Gefühl nach Hause gingen und einen (besseren) Eindruck erhielten, was die technische Berufswelt zu bieten hat. Unter den Teilnehmerinnen gab es übrigens auch einige, die am Meitli-Technik-Tag ihre Berufung entdeckten und sich für eine technische Lehre entschieden haben, wie etwa Maggie (Lehre als Polymechanikerin bei MAN Energy Solutions, nicht zu verwechseln mit Maggie Winter von IngCH) oder Samira (Lehre als Automatikerin bei Siemens). Diese Ergebnisse stimmen uns optimistisch auf die neue Projektperiode, die erneut für vier Jahre vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann unterstützt wird, und wir hoffen, dass «Role Models» wie Maggie und Samira noch viele weitere junge Frauen inspirieren, in ihre Fussstapfen zu treten und einen technischen Beruf zu erlernen.

*Hier finden Sie den gesamten Schlussbericht der Evaluation

[1]             Berufliche Grundbildung nach Bildungsfelder, BFS 2023 (Link)

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