Ingeniös

Digitalisierung! Der herausragende Trend unserer Zeit: ein leeres Schlagwort für die einen, ein Schreckgespenst, mindestens aber eine grosse Herausforderung für die anderen. Ich habe sie von Anfang an miterlebt.

Als Entwicklung war die Digitalisierung weder Schlagwort noch Schreckgespenst, vielmehr das Heranwachsen von ungeahnten Möglichkeiten für meinen Beruf als Ingenieur: Heute verfügen wir über Werkzeuge, deren Leistungsfähigkeit ich als junger Absolvent ja nur erträumen konnte. Und gute Werkzeuge ermöglichen oft neue Arbeitsweisen. Manchmal mögen diese geradezu revolutionär erscheinen. Das ist interessant und hat auch mich fasziniert.

Nun, am Anfang so mancher Ingenieursarbeit steht die Frage, was denn eigentlich die Frage ist, die es zu behandeln gilt. Was als Trivialität erscheinen mag, entpuppt sich oft als der schwierigste und entscheidendste Arbeitsschritt. In dieser frühen Phase sind scharfe Analyse gefragt und Sattelfestigkeit in den Grundlagen. Beides sind Voraussetzungen für echte Kreativität, die nicht im luftleeren Raum entstehen kann. Ein noch so aufwendiger Einsatz der erwähnten guten Werkzeuge kann das nicht aufwiegen. Das wird auch in Zukunft Bestand haben.

Wirklich anspruchsvoll – aber auch besonders schön – ist der Ingenieurberuf erst deshalb, weil er vom täglichen Austausch mit Menschen lebt. Mindestens so sehr wie deren Analysefähigkeit und Kompetenz haben mich die Persönlichkeiten, Verhaltensweisen und Werthaltungen dieser Menschen interessiert. Was heutige und zukünftige Fragestellungen vielleicht noch mehr als die Digitalisierung prägen wird, ist zunehmende Komplexität. Deshalb steigt der Anspruch an die Interdisziplinarität und damit an die Zusammenarbeit mit anderen, sowohl in der Analyse wie auch in der Gestaltung. Dazu sind neben Fachkompetenz Charakter und Integrität gefragt sowie Orientierung am Sinn des Tuns. Gefragt sind also nicht nur fähige Leute, sondern vor allem ganze Menschen.

Ist das neu? Nein. Das war schon immer so – nur wird es noch wichtiger werden.


Eduard Rikli,  Präsident IngCH


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