Kreislaufwirtschaft
Bei der Kreislaufwirtschaft geht es um viel mehr als eine hohe Recyclingquote. Ressourcenleichtes Wirtschaften wird unsere Wirtschaft von Grund aus umgestalten und die Denkweise der Ingenieur:innen verändern.
Wer der Frage nachgeht, ob die Schweiz bereit sei für eine Kreislaufwirtschaft, der findet Licht und Schatten sehr nahe beieinander. In einem Ländervergleich, den der «Tages-Anzeiger» 2017 publizierte, rangieren wir gleich zweimal in den Top Ten: Bezüglich der Recyclingquote sind wir die Nummer 5 in Europa, in der unrühmlichen Liste der Abfallproduzenten jedoch die Nummer 3. So weist auch der kürzlich veröffentlichte «Circularity Gap Report» der Schweiz nach, dass von allen Materialien, welche wir zum Einsatz bringen, nur 6,9 Prozent aus dem Recycling stammen.
Ressourcenleichtes Wirtschaften
Aus der Perspektive der Nachhaltigkeit sollten wir uns daher mehr Sorgen darüber machen, dass wir in der Spitzenrangliste der Abfallproduzenten sind, als uns darüber zu freuen, dass wir eine recht gute Recyclingquote von 54 Prozent aufweisen. Denn wie die Allen MacArthur Foundation aufzeigt, muss Kreislaufwirtschaft weit über einen geschlossenen Recyclingkreislauf hinausgehen. Eine Wirtschaft, die sich innerhalb der planetarischen Grenzen bewegt und daher die Umwelt nicht übernutzt, muss ressourcenleicht daherkommen. Dies bedeutet, dass wir uns von den Produkten weg hin zu den Serviceleistungen bewegen müssen.
Produktelebensdauer als Schlüssel
Eine Musikanlage als Beispiel soll daher den Zweck erfüllen, Musik abzuspielen. Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir diese Dienstleistung zur Verfügung stellen können, ohne grosse Mengen an Materialien dabei zu verwenden. Sehr offensichtlich ist eine günstige Anlage, die nach zwei Jahren bereits im Elektronikschrott landet, nicht die richtige Lösung. Musik auf einem Gerät zu hören, das man sowieso schon besitzt – das Mobiltelefon –, wäre genauso ein Lösungsansatz, wie eine Anlage von guter Qualität, die auch repariert werden kann und den Dienst über ein Jahrzehnt oder mehr erfüllt.
Kreislaufwirtschaft braucht neue Businessmodelle
Diese andere Herangehensweise verändert nicht nur das Konsumverhalten, sie stellt auch andere Anforderungen an die Arbeit der Ingenieur:innen. Ging es bisher oft darum, Anlagen möglichst günstig in die Regale zu bringen, kam in den letzten Jahren die Anforderung nach einem recyclinggerechten Design hinzu. Neu geht es darum, die Kreisläufe höherer Ordnung zu schliessen. Wie kann ich Geräte so konzipieren, dass sie einfach repariert werden können? Wie schaffe ich es, dafür zu sorgen, dass ein Gerät oder Teile davon möglichst lange den Dienst erfüllen? Die Herausforderungen, die sich daraus ergeben, gehen aber weit über das Technische hinaus. Genauso sehr geht es um die Erfindung neuer Businessmodelle. Denn es ist offensichtlich, dass in den linearen Businessmodellen eine kurze Lebensdauer die besseren Geschäftszahlen garantiert. Dass es auch anders geht, zeigen einzelne Pionierfirmen. So geht beispielsweise Bauwerk Parkett dazu über, Pakete nicht nur zu verkaufen, sondern auch zu vermieten. Die Motivation der Firma: Sie geht davon aus, dass in einigen Jahrzehnten die Verfügbarkeit der notwendigen Edelhölzer weit geringer sein wird. So ist das eingebaute Produkt gleichzeitig der Rohstoff der Zukunft.
Autor: Christian Zeyer, ist studierter Chemieingenieur und hat sein Doktorat in Physikalischen Wissenschaften an der ETH Zürich erlangt. Er ist heute Co-Geschäftsführer der swisscleantech, eines Wirtschaftsverbands, der das Ziel verfolgt, gemeinsam mit Politik und Gesellschaft die Schweiz bis spätestens 2050 CO2-neutral zu machen.
Originaltext: SVIN News Nr. 53, Juli 2023
Bild: Adobe Stock
Referenzen: «Tages-Anzeiger» (2017): https://www.tagesanzeiger.ch/schweizer-gehoeren-zu-den-groesstenabfallsuendern- in-europa-720948671363, Zugriff am 30.4.2023 Circle Economy (2023): «Circularity Gap Report», https://www.circularity-gap.world/switzerland, Zugriff am 30.4.2023 Ellen MacArthur Foundation: https://ellenmacarthurfoundation.org/topics/circular-economy-introduction/overview, Zugriff am 30.4.2023
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