«Es gibt keine schlechten Bewerber:innen, es gibt nur schlechte Matches»
David Gisler ist Head of Talent Acquisition bei Siemens und Vorstandsmitglied bei IngCH. Obwohl der studierte Soziologe in seiner Funktion im Personalwesen tätig ist, besitzt er eine grosse Begeisterung für technische Themen und schlägt auf diese Weise die Brücke zwischen Mensch und Technik. Wie sich Siemens für die Nachwuchsförderung engagiert und weshalb heutzutage bei der Rekrutierung die Persönlichkeit eine grössere Rolle spielt als das ausschliessliche Beherrschen einer Technologie, erfahren Sie im Interview.
David Gisler, wie sieht Ihr Werdegang aus?
Ich habe das naturwissenschaftliche Gymnasium besucht, weil ich schon immer an technischen Themen interessiert war. Seit meiner Kindheit wollte ich wissen, wie etwas funktioniert. Während des Gymnasiums war mir aber auch das Thema «Mensch und Gesellschaft» wichtig. Ich habe mich deshalb für ein geisteswissenschaftliches Studium entschieden: Soziologie.
Im Personalwesen kann ich nun beide Welten vereinen. Einerseits sind das technische Verständnis und das analytische Denken sehr wichtig, damit man die Bewerbungen aus dem technischen Umfeld gut verstehen kann und weil auch unsere Rolle in der Rekrutierung immer mehr von neuen Technologien wie künstlicher Intelligenz geprägt wird. Andererseits ist auch ein Verständnis für die Menschen essenziell, um den Einfluss der Technik auf die Gesellschaft zu verstehen.
Wieso engagiert sich Siemens bei IngCH für die Nachwuchsförderung?
Nachwuchsförderung ist bei uns ein grosses Thema. Wir haben unser eigenes Programm «Generation 21» und beginnen damit auf Kindergartenstufe. Es gibt eine sogenannte Forscherkiste, mit welcher die Kinder selbst Sachen ausprobieren können. Auf der Primarschulstufe wird es konkreter: Wir bieten Programmier- und Denkworkshops an, um den technischen Zugang zu ermöglichen. In der Berufsbildung wird es noch greifbarer. Jedes Jahr bilden wir 260 Lernende aus. Zudem pflegen wir eine enge Zusammenarbeit mit den Hochschulen und sponsern beispielsweise den Siemens Excellence Award. Dieser Preis ist mit 10’000 Franken dotiert und geht an die beste Bachelor-Diplomarbeit im technischen Umfeld. Alle diese Bemühungen werden abgerundet durch unser Engagement bei IngCH. Damit unterstützen wir verschiedene Projekte, wie zum Beispiel die Meitli-Technik-Tage, «Achtung Technik Los!», Technik- und Informatikwochen sowie diverse weitere Aktivitäten.
Wie hat sich die Rekrutierung von Ingenieur:innen bei Siemens verändert?
Es hat ein grosser Wandel stattgefunden. Früher haben wir uns mehr auf die Beherrschung von Technologien und Tools fokussiert. In der heutigen Welt wandeln sich diese immer schneller. Deshalb legen wir den Schwerpunkt auf Persönlichkeiten. Zwei Kerndimensionen sind «Growth Mindset» und «Empower People». Die Leute begeistern zu können und selbst immer neugierig zu bleiben, sich in neue Themen hineinzudenken, etwas schnell erlernen zu können: Das sind für uns Schlüsselkompetenzen.
Welches sind für Siemens die grössten Herausforderungen bei der Suche nach neuen Mitarbeitenden?
Wir sagen immer, dass es keine schlechten Bewerber:innen gibt, es gibt nur schlechte Matches. Unsere grösste Herausforderung ist es, die Talente mit den richtigen Aufgaben zusammenzuführen. Man darf nicht vergessen, dass wir einen Grossteil unseres Lebens bei der Arbeit verbringen. Wenn die Arbeit mit Passion ausgeübt werden kann, dann haben wir eine grosse Genugtuung in unserem Beruf. Und genau hier sehen wir die Herausforderung: Dass es sowohl für die Bewerber:innen passt als auch für unser Unternehmen.
Was würden Sie Schüler:innen für die Berufs- und Studienwahl mit auf den Weg geben?
Wichtig ist, dass man sich für etwas entscheidet, wofür man eine Passion hat. In jeder Funktion wird es schwerfälligere Phasen geben. Dann hilft es, wenn man mit Überzeugung und Begeisterung dranbleibt und so auch die schwierigeren Zeiten übersteht. Ich denke, dass es falsch ist, sich aus rationalen Gründen für einen Beruf zu entscheiden, zum Beispiel Ingenieur:in zu werden, nur weil die Jobsicherheit garantiert ist. Das wäre die falsche Motivation. Für IT-Themen zu brennen, dank Technologie etwas in die Nachhaltigkeit zu investieren: Wenn das die Treiber sind, dann ist ein Beruf im technischen Umfeld bestimmt die richtige Entscheidung.
Interview: Nathalie Künzli, Projektleiterin IngCH
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16. März 2018